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vorwort des buches

Obwohl nicht eigentlich Gegenstand dieses Buches, verleihen die Ereignisse des 11. September und deren mediale Verarbeitung (nicht nur) im deutschsprachigen Raum seinem Anliegen, seinen Erkenntnissen und Thesen zusätzliches Gewicht. Das fast widerstandslose Einschwenken des politischen Journalismus auf den Rache- und Vergeltungsdiskurs der US-Regierung, die klaglose Hinnahme des "US-Informationsembargos" (F. Pleitgen), das weitgehende, wenn auch nicht ganz freiwillige Beschweigen der Grausamkeiten des afghanischen Anti-Terror-Krieges ...: Allzu selten vermitteln uns Medien und JournalistInnen den Eindruck, dass sie sich und ihre Arbeit als aktive Elemente der Konfliktformation 'Terrorismus / Counterterrorismus' wahrzunehmen vermöchten. Nadine Bilkes Buch verspricht, in mehrfacher Hinsicht, diesem Vergessen, ja: dieser Selbstverkennung der Zunft und ihrer Adressaten entgegenzuwirken.

Bilke sucht den umfassenden Anspruch des Buches ("Friedensjournalismus") exemplarisch einzulösen (am Beispiel des Talking Drum Studio, TDS, in Liberia), die Vision an die journalistische Alltagspraxis grundsätzlich rückzukoppeln. Das soll und kann nun nicht einfach heißen, die Theorie an der Praxis ihre Bewährung finden zu lassen. Auch das Umgekehrte gilt: Die einlässliche Darstellung und Würdigung der Arbeit der TDS-Leute vermag erst dadurch zu interessieren und zu überzeugen, dass Bilke sie entziffert als Ausfluss einer "friedensjournalistischen Grundorientierung", die sich ihrerseits begrifflich und typologisch wohl charakterisieren lässt, zugleich aber nach kultur- und konfliktbezogener Differenzierung verlangt. So versagt sich die Arbeit jeder unangemessenen (kulturimperialistischen!) Generalisierung und rezepthaften Anwendung in der Einsicht, dass Friedensjournalismus grundsätzlich situativ erprobt und ,vor Ort' sich bewähren muss.

Die - für eine ursprüngliche Diplomarbeit gewiss ungewöhnliche - Herausforderung des Buches ist eine doppelte. Die Verfasserin will nicht nur die Arbeit des Talking Drum Studios als - bei aller Unvollkommenheit beeindruckende - Bestätigung der Möglichkeit von Friedensjournalismus auch unter schwierigen Bedingungen erweisen. Sie zwingt zugleich zum Nachdenken über die Grundlagen der von ihr in Anspruch genommenen "friedensjournalistischen Grundorientierung". Diese entfaltet sich zum einen in der Klärung des Aufgabenfeldes Frieden ("Begriff, Weg, Vision"), zum anderen in der Problematisierung und Aufhellung der im engeren Sinne professionellen Rahmenbedingungen, denen ein realitätstüchtiges Projekt Friedensjournalismus allererst entwachsen kann.

In beiden Kapiteln bewegt sich die Verfasserin, angesichts der Vielfalt der Positionen und Streitpunkte, auf vermintem Gelände, auf beiden Feldern bewährt sich ihr Vermögen, auf der Grundlage gediegener Literaturkenntnisse die Entfaltung eines differenzierten Problembewusstseins mit der Abgabe einer überzeugenden eigenen Stellungnahme zu verbinden. Kann das Kapitel über friedenswissenschaftliche Grundbegriffe als besonders eindrucksvolles Beispiel für das Verfahren der Verfasserin gelten, vor dem Hintergrund einer nachvollziehbar entwickelten Problemdiskussion zu eigenen Begriffsvorschlägen zu kommen, so erscheint mir der Abschnitt über "Journalismus und Gewalt" als ein Highlight grundsätzlicher Medienkritik, dessen Lektüre Praktikern, Lehrenden und Konsumenten des Journalismus ersichtlich Gewinn verspricht.

Zuletzt erscheint mir Bilkes Arbeit als ein bedenkenswertes Stück Selbst-Aufklärung eines engagierten Journalismus, deren praktisch-politische Bedeutsamkeit nicht zuletzt darin liegen dürfte, dass sie die Handlungsmöglichkeiten des/r einzelnen nicht überschätzt, aber kategorisch auf ihnen besteht; dass sie, mit anderen Worten, der Kritik ihren konstruktiven Impuls belässt. Es gibt also viele und gute Gründe, der vorliegenden Arbeit zahlreiche Leserinnen und Leser zu wünschen. Buchbestellung bei amazon.de

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