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Ein Traum für Bawku
Im Nordosten kämpfen zwei Volksgruppen um die Häuptlingswürde. Eine Friedensinitiative will sie an den Verhandlungstisch bringen

Als Emmanuel Bombande eines Tages von der Schule nach Hause kam, da saß seine Mutter schon auf gepackten Koffern. Sie war bereit, ihre Heimatstadt Bawku zu verlassen, sobald die Gewalt wieder eskalieren würde. Es kam nicht so weit, die Familie Bombande blieb in Bawku, im äußersten Nordosten Ghanas. Doch auch die Angst blieb, und ein Entschluss reifte in Emmanuel: "Wenn ich irgendwie kann, möchte ich später für den Frieden arbeiten."

Emmanuel Bombande steht vor einer Schautafel und zeigt den Teilnehmern des Workshops, wie man einen Konflikt bei seiner Wurzel packt. "Es kommt darauf an, die verborgenen Ängste und Einstellungen anzusprechen", erklärt er Vertretern verschiedener Entwicklungshilfe-Organisationen. Bombande arbeitet heute für das West Africa Network for Peacebuilding. Im Süden Ghanas leitet er einen Workshop, der neue Ideen für den Frieden in seiner Heimatstadt Bawku bringen soll.

Dort kämpfen zwei ethnische Gruppen um die Häuptlingswürde: die Mamprusi und die Kusasi. Die Mamprusi sind ein altes Königsgeschlecht, sie können auf 300 Jahre Regierungsgeschichte verweisen. Wie lange sie im ghanaischen Nordosten, in Bawku, leben, ist allerdings umstritten. Die Kusasi jedenfalls sagen, sie waren schon vorher da, und sie sind es leid, sich von den Mamprusi regieren zu lassen. Immer wieder eskaliert der Streit, viele Menschen mussten sterben, vor allem, wenn in Bawku gewählt wird.

Blutige Wahlen
Janet Mohammed erinnert sich nur ungern an den Dezember 2000, an die vergangenen Parlamentswahlen in Ghana. Zusammen mit Emmanuel Bombande hat sie die Bawku Peace Initiative ins Leben gerufen - ein Konsortium von Nichtregierungsorganisationen. Die Initiative wollte erreichen, dass die Stadt dieses Mal eine friedliche Wahl erlebt. Sie hatten Aufklärungsarbeit geleistet über Bürgerrechte und freie Wahlen und Treffen zwischen den Kandidaten arrangiert. "Alles war wunderbar, bis alles explodierte", sagt Mohammed heute.

Laut offiziellen Berichten starben über 30 Menschen in Bawku, Janet Mohammed aber sagt, es seien über 130 gewesen. "Die Friedensinitiative hatte schon einen Effekt, aber nicht den erhofften", meint die Koordinatorin des Christian Council in Nordghana. Dann seufzt sie: "Wir hatten weder genug Zeit noch genug Geld, wir konnten nicht nachhaltig genug arbeiten." Im Dezember 2001 wurde in Bawku wieder gekämpft - über 50 Menschen starben, tausende mussten fliehen. Die Bawku Peace Initiative muss erneut versuchen, in dem komplexen Konflikt einen Kompromiss zu finden.

In Bawku geht es um den Häuptlingsthron, um Landbesitz, und um Politik. Ghanas Politiker haben sich seit Jahrzehnten immer wieder in den Machtkampf in Bawku eingemischt, obwohl die Verfassung dies eigentlich verbietet. Kwame Nkrumah, der Ghana 1957 in die Unabhängigkeit führte, wollte auch den Kusasi ihre Selbstbestimmung geben; deshalb gefiel ihm ein Kusasi als Bawku-naba, als Herrscher über Bawku. Sein Nachfolger setzte wieder einen Mamprusi auf den Thron. Jerry Rawlings, Putschist, Diktator und später demokratischer Präsident, hielt es mit den Kusasi. Und so gibt es eine ganze Reihe von Kommissionsberichten, Gerichtsurteilen und Dekreten, die alle bestimmen, wer in Bawku herrschen soll. Aber nichts davon brachte eine Lösung. Heute hat in Bawku ein Kusasi das Sagen, aber ein Mamprusi erhebt ebenfalls Anspruch auf den Thron.

Der Erbe des Bawku-naba
Alhaji Sulemana Yirimea ist ein Mamprusi, und er hat die taktischen Spiele der Politiker am eigenen Leib erfahren. Sein Vater, der Bawku-naba, wurde von Nkrumah verbannt. Yirimea musste ins Gefängnis, bis ein Putsch Nkrumahs Regierungszeit beendete. Heute thront der 62-Jährige würdevoll hinter seinem Schreibtisch bei der National Disaster Management Organisation. Dieser Mann ist es gewohnt, dass man ihm zuhört - und gehorcht. Yirimea ist ein einflussreicher Meinungsführer der Mamprusi: "Meine Einstellung allein kann eine Situation beruhigen oder ein Problem auslösen."

Yirimea findet es lächerlich, dass die Könige der Mamprusi in Bawku auf einmal keine Macht mehr haben sollen, dass ihnen dieses Land angeblich nicht gehöre. "Tradition kann nicht so einfach geändert werden." Schon die britischen Kolonialherren hätten die Herrschaft der Mamprusi respektiert. Die ganze Verwirrung hätte damit begonnen, dass die Politiker sich einmischten. Seiner Meinung nach gehört die Angelegenheit vor das National House of Chiefs und sein Rechtskomitee. "Der Staat hat sich nicht in Fragen der traditionellen Herrschaft einzumischen."

Alte Fehde mit neuen Waffen
Das ist wahrscheinlich der einzige Satz Yirimeas, dem Cletus Avoka zustimmen würde. Avoka ist ein Kusasi, und auch er will, dass die Regierung sich raushält. Nur sein Ziel ist ein anderes: Der Bawku-naba der Kusasi soll endlich unbeeinträchtigt herrschen können. "Die Kusasi sind die wahren Bewohner von Bawku, und sie sind in der Mehrheit." Avoka ist Parlamentsabgeordneter der Opposition für Bawku West. Den Juristen kann die Argumentation der Mamprusi nicht überzeugen: "Wir müssen aus Tradition herrschen, das ist doch kein Grund", ereifert er sich. Die Kusasi seien zufrieden damit, dass ihr Häuptling Bawku regiere, sagt Avoka. Sie hätten keinen Anlass mehr, zu den Waffen zu greifen. Die Mamprusi seien diejenigen, die das Töten starteten.

Die Kämpfe in Bawku fordern viele Opfer, denn sie werden mit modernen Waffen ausgefochten. In früheren Jahrhunderten zogen Handelskarawanen durch die Grenzstadt, heute blüht das Geschäft mit Diebesgut und Waffen, Schutzgelderpressungen sind an der Tagesordnung. Seit einigen Monaten sind Soldaten in der Stadt stationiert, die Sicherheitslage hat sich verbessert. Doch auch sie können die Ärzte, Krankenschwestern und Lehrer nicht aufhalten, die den Schauplatz von Schießereien und Morden hinter sich lassen wollen.

"Warum arbeiten sie nicht für Entwicklung, anstatt um dieses trockene Land zu kämpfen und sich gegenseitig zu töten?", fragt Peter Bombande, ein Onkel des Friedensarbeiters Emmanuel. Er versteht nicht, warum Häuptlinge die Weiterentwicklung seines Landes so nachhaltig verhindern können und dürfen. Der Krankenpfleger Peter Bombande arbeitet in einem Hospital 300 Kilometer entfernt von seiner Heimatstadt Bawku. Jedesmal, wenn er dorthin zurückkommt, hört er von neuen Opfern des Konfliktes. Die Bombandes sind Bissa, keine direkte Partei in dem Konflikt, und doch sind sie beteiligt, weil ihre Heimat Bawku durch die Kämpfe als Heimat so wenig taugt.

Mühsame Vermittlung
Und so versucht Emmanuel Bombande die Meinungsführer der Mamprusi und der Kusasi wieder an den Verhandlungstisch zu bringen. Einen Friedensvertrag hatten sie bereits im vergangenen Sommer ausgehandelt, unter Anleitung der Bawku Peace Initiative, doch kein halbes Jahr später war die Gewalt wieder eskaliert. Der Vertrag hat sich als nicht belastbar erwiesen. Bombande muss wieder von vorn beginnen und vorsichtig vortasten, ob neue, gemeinsame Verhandlungen überhaupt möglich sind.

Deshalb sind am ersten Tag des Workshops die Konfliktparteien noch nicht eingeladen. Die Entwicklungshilfe-Organisationen verständigen sich zunächst untereinander auf ein gemeinsames Vorgehen, damit sie nicht unwissentlich durch ihre Arbeit Spannungen hervorrufen. Am zweiten Tag hat die Initiative die Kusasi eingeladen, in den Süden Ghanas zu reisen und über den Frieden zu reden. Dieser Tag verläuft erfolgreich, die Kusasi akzeptieren Bombande als Vermittler, sie fühlen ihre Interessen gut vertreten und sind zu Verhandlungen bereit. Am dritten Tag soll Ähnliches mit den Mamprusi erreicht werden, doch das gelingt nicht. Nur die Hälfte der Delegation trifft ein, sie behaupten, Bombande sei parteiisch, ihre Interessen würden nicht vertreten, sie seien unter diesen ungünstigen Bedingungen keinesfalls zu Verhandlungen bereit.

Marschieren für den Frieden
In Janet Mohammeds Büro in Tamale, der Hauptstadt der Nordregion, stapeln sich derweil Säcke mit T-Shirts und Kisten mit Aufklebern für den großen Friedensmarsch in Bawku: "Bawku People stand for Peace" steht darauf. Die Initiative will jetzt lautstark für den Frieden werben, um Unterstützung in der Bevölkerung zu gewinnen. Gerade tritt noch ein Zeichner ein, der einen Entwurf für ein Plakat gemalt hat. Mohammed gefällt das Bild. "Gut, das nehmen wir." Auf dem Blatt ist eine Frau abgebildet, über ihr in einer Sprechblase schwebt eine Waffe, durchgestrichen mit einem dicken, roten Kreuz. "Ihr Traum für Bawku", steht darüber.

Auch Vermittler Emmanuel Bombande träumt diesen Traum, doch zurzeit scheint er in weite Ferne gerückt. Die Mamprusi sind nicht gesprächsbereit. Auch das Verhalten der ghanaischen Regierung bereitet ihm Kopfzerbrechen. Einige Regierungsvertreter spielten mit den ethnischen Spannungen, das sei gefährlich, sagt er. Bawku ist nicht der einzige Herrschaftskonflikt in Ghana, und gerade das macht ihn so gefährlich. Denn eine Eskalation in Bawku könnte sich über den Norden des Landes ausbreiten. Vor acht Jahren sind in der Nordregion tausende Menschen bei einem solchen Krieg gestorben. "Bawku könnte zum Flächenbrand werden", erklärt Bombande. "Es gibt keine Alternative zur Friedensarbeit."

Stand: April 2002

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