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Krieger für den Frieden

Strategien konstruktiver Konfliktberichterstattung am Beispiel interethnischer Konflikte in Ghana

1. Konfliktberichterstattung
Jeden Tag berichten Journalistinnen und Journalisten über Konflikte. Dabei müssen sie stets Stellung beziehen - durch Auswahl, Sprache und Präsentation. Der Großteil der Konflikt- und Kriegsberichterstattung, wie wir sie kennen, legt dabei keinen besonderen Wert auf Konfliktlösung oder Frieden. Wir werden vielmehr konfrontiert mit einseitigen Berichten: Sie ergreifen Partei für die vermeintlich gute Seite in Konflikten und Kriegen, die längst zu Medienereignissen geworden sind.[ 1 ]

Dieser Mangel mag sich teilweise auf ein stark kompetitives Mediensystem zurückführen lassen, auf Kommerzialisierung, auf die Geschwindigkeit moderner Massenmedien. Aber das ist nicht der einzige Grund: Konfliktlösung hat schlicht nur eine kleine Lobby im Journalismus, ein Konzept für eine konstruktive Konfliktberichterstattung fehlt. Unter dem Druck des täglichen Geschäfts weisen viele Journalisten einen solchen Anspruch als unrealistisch von sich.[ 2 ] Doch dieses Konzept stellt keineswegs eine zusätzliche Arbeitsbelastung dar, sondern bietet eine grundsätzliche Ausrichtung, auf der verschiedenste Strategien aufbauen können: Wie berichte ich über Konflikte, wie stelle ich Menschen dar, welche Lösungen präsentiere ich?

Rechtlich und politisch sind alle Vorgaben für einen solchen Journalismus gesetzt. Sie finden sich in der Erklärung der Menschenrechte, im deutschen Grundgesetz, in Mediengesetzen und in Statuten nicht nur öffentlich-rechtlicher Medien.[ 3 ] Was fehlt, sind die konkreten Vorschläge für die Umsetzung.

2. Friedensjournalismus[ 4 ] - ein Prozess
Die folgenden Systematik lehnt an die Modelle von Johan Galtung und Wilhelm Kempf an.[ 5 ] Galtung entwickelt vier große Ziele: Konflikt, Wahrheit, Menschen und Lösung. Diesem Anspruch können sich Journalisten über folgende Grundhaltungen nähern: kritische Konfliktanalyse, Wahrhaftigkeit, Empathie und Kompromissbereitschaft.

Kurz skizziert verfolgt ein Friedensjournalismus in den vier Feldern den folgenden Ansatz: Im Wissen um die eigene Befangenheit stellt eine gründliche Konfliktanalyse alle Parteien mit ihren Interessen, Bedürfnissen und Zielen vor. Der Anspruch der Wahrhaftigkeit fordert die Annäherung an die Konfliktwirklichkeit durch eine "Kette subjektiver Akte",[ 6 ] dabei setzt sich der Journalist gegen fremde und eigene Vorurteile durch. Eine empathische Berichterstattung verlangt, das Leiden der Menschen zu zeigen. Ein konstruktiver Konfliktberichterstatter stellt Menschen in einem zweiten Schritt aber nicht nur als Opfer dar, sondern als Akteure, die ihr Schicksal selbst beeinflussen können. Im Feld der Kompromissbereitschaft steht die Suche nach Gemeinsamkeiten im Mittelpunkt: In gewaltsamen Konflikten teilen alle Seiten mindestens die Vision einer gewaltfreien Zukunft; stets lassen sich auch Friedensvorschläge und -initiativen finden, die in die Berichterstattung einfließen können.

Friedensjournalismus kann wie eine Art Werkzeugkasten für Recherche und fürs Schreiben funktionieren, immer angepasst an die eigenen Handlungsmöglichkeiten und die Konfliktkonstellation. Die vier Felder können helfen, einige Fallen der Konfliktberichterstattung zu vermeiden: sich unkritisch auf eine Seite zu schlagen, Propaganda für Wahrheit zu halten und Gewalt als einzige mögliche Lösung zu akzeptieren. Eine konstruktive Konfliktberichterstattung heißt nicht unbedingt, alle oben aufgezeigten Ziele auf einmal erreichen zu müssen. Damit die Vision handhabbar wird für die journalistische Praxis, soll das Konzept als Prozess begriffen werden, der von einfachen Techniken zur komplexen Analyse reicht.

3. Das Fallbeispiel[ 7 ]
Am 6. März 1957 führte Kwame Nkrumah Ghana in die Unabhängigkeit. Seitdem musste das Land oft als Vorbild herhalten: ökonomisch in den 80ern, als Weltbank und Internationaler Währungsfonds ihm Vorgaben auferlegten, politisch in den 90ern, als Jerry John Rawlings eine demokratische Verfassung einführte, ungefähr zehn Jahre nach seinem zweiten Staatsstreich 1981. Die Probleme der ehemaligen britischen Kolonie wollte die internationale Gemeinschaft lange Zeit nicht wahrhaben. Die ökonomische Situation kam schließlich 2001 ans Licht: John Kufuor, neuer Präsident der New Patriotic Party und früherer Oppositionsführer, kam an die Macht und erklärte sich mit einer Bewerbung für die Initiative für "Heavily Indebt Poor Countries" sogleich für bankrott. Die politischen Probleme des westafrikanischen Landes hingegen werden noch immer kaum wahrgenommen, obwohl Mitte der 90er Jahre ein Bürgerkrieg im Norden des Landes tobte.

Die Ghanaer nennen die Ereignisse der Jahre 1994 bis 1995 etwas verharmlosend den "Northern Conflict". Dieser Bürgerkrieg stürzte den ohnehin schon unterentwickelten Norden des Landes in ein Chaos. Die Zahl der Toten ist schwer zu schätzen, da die Leichen im Norden wegen der Hitze und der alten Bräuchte sofort begraben werden. Verschiedene Quellen sprechen von 10.000 bis 20.000 Toten, Zehntausende mussten fliehen. Jahre danach fragen die Menschen noch immer nur zögerlich nach den Ursachen dieses Krieges, die tief in der ghanaischen Gesellschaft verwurzelt sind.

In Ghana leben mehrere Dutzend ethnische Gruppen zusammen, sie sprechen verschiedene Sprachen und haben unterschiedliche gesellschaftliche Strukturen. Einige von ihnen sind hierarchisch organisiert, sie haben Häuptlinge auf mehreren Ebenen - im Dorf, in der Region und auch einen obersten Häuptling, einige Gruppen verehren ihn als König. Diese Gruppen erheben Anspruch auf den Landbesitz und üben so Herrschaft aus. Die mächtigste unter diesen Gruppen im Norden sind die Dagomba.

Andere Gruppen sind akephal, also ohne zentrale Führung. Sie leben als Nomaden; ihre Dörfer existieren nur, bis sie weiterziehen. Sie haben Älteste in ihren Dörfern, aber keine zentrale Autorität und sind kaum organisiert. Die Konkomba kennen zum Beispiel nur einen einzigen Grund sich zu versammeln: um Krieg zu führen. Während der Kolonialzeit wurde die Macht der hierarchischen Gruppen gestärkt, denn die britischen Würdenträger haben ein System indirekter Herrschaft etabliert. Ihre Ansprechpartner und ausführende Organe ihrer Politik waren die Häuptlinge der hierarchischen Gruppen, denn sie waren die einzigen Autoritäten, die sie vorfanden.

Die Spannungen zwischen den Gruppen waren 1994 so groß, dass ein unbedeutender Zwischenfall genügte, eine Katastrophe auszulösen: Ein Konkomba und ein Nanumba, so sagt man, hätten auf einem Markt um ein Perlhuhn gestritten. Sie begannen zu kämpfen. Dieser Kampf breitete sich mit jedem Tag aus. Mehr und mehr Dörfer wurden zerstört, mehr und mehr ethnische Gruppen griffen zu den Waffen. Die dezentral organisierten Gruppen, vor allem die Konkomba, kämpften gegen die hierarchischen, die Gonja, die Nanumba und die Dagomba; sie empfanden sie als Unterdrücker, derer sie sich entledigen wollten. Die Dagomba und ihre Verbündeten sahen die Konkomba als Mörder, die ohne Grund töteten. Eine Initiative verschiedener Nichtregierungsorganisationen beendete die Kämpfe im Mai 1995, aber die Friedensarbeit geht weiter.

Es herrscht großes Misstrauen, in den Dörfern bleiben die ethnischen Gruppen meist unter sich. Die Spuren der Kämpfe sind noch lange nicht verschwunden - weder in den Zerstörungen der Region, noch in den Köpfen der Menschen. Die Menschen im Norden sind teilweise zu arm, um ihre Häuser wieder aufzubauen. Die Regierung im Süden scheint sehr weit weg, die Infrastruktur ist mangelhaft und die traditionellen Herrscher sind stark. Diese Nord-Süd-Teilung findet sich auch in anderen westafrikanischen Ländern, wie z.B. in der Elfenbeinküste, die sich mühsam wieder auf einen stabileren Pfad begeben hat.

4. Berichterstattung über das Fallbeispiel
Im Folgenden werden die vier Felder des Friedensjournalismus auf den Fall Ghana angewendet. Dabei kann zwar kein vollständiges Bild der Konfliktsituation gezeichnet werden, bei der Recherche wurde jedoch stets versucht, den Grundsatz der Intersubjektivität zu wahren.

4.1 Konfliktanalyse
Die zwei Hauptparteien des Konfliktes sind schnell identifiziert - die hierarchischen und die akephalen Gruppen. Auf der Inhaltsebene streiten die beiden Gruppen um Landbesitz. Die einen wollen ihren Besitzstand wahren, die anderen wollen in dem Verteilungskampf nicht immer den Kürzeren ziehen. Dahinter steht Macht, ausgeübt über Besitz. Journalisten verbleiben oft auf dieser Ebene des Konfliktes, doch dahinter liegt noch eine weitere Schicht: die Grundbedürfnisse. Die Konfliktparteien wollen ihre Traditionen und damit ihre Identität wahren. Deshalb fordern die akephalen Gruppen Selbstbestimmung und Mitspracherechte. Auf der Beziehungsebene erschweren erlittene Traumata den Umgang mit dem Anderen. Die Betroffenen wollen Gerechtigkeit und sie wollen die Bestätigung, dass ihre Version der Gewalt und ihrer Ursachen, dass letzlich ihre Lebensweise als die richtige anerkannt wird. Die Konfliktparteien streiten also nicht nur um Interessen, sondern auch um Werte.[ 8 ]

Doch der Konflikt im Norden Ghanas lässt sich wie jeder andere nicht hinreichend in einer dualistischen Struktur erklären. Die vielen ethnischen Gruppen, die dort leben, unterscheiden sich in ihren Traditionen und ihren Werten. Viele Menschen haben auch gemischte Loyalitäten, weil sie von mehreren Gruppen abstammen. Es gibt auch gruppenübergreifende Allianzen, z.B. Frauen, die für mehr Rechte streiten. Schließlich spricht sich eine große Zahl von Menschen zumindest für ein gemeinsames Interesse aus: eine gewaltfreie Zukunft. Die Konfliktgründe lassen sich vereinfacht in einem Mehrebenenkonflikt abbilden:[ 9 ] Sie sind zu finden innerhalb der Personen, der Gruppen, in ihren Beziehungen und schließlich im System. Zunächst liegen Konfliktgründe in den Erfahrungen und Geschichten der einzelnen Menschen: ihren Leiden, ihren Wünschen, ihrer Zuordnung zu einer kollektiven Identität. Diese wird geprägt durch die Tradition und die kulturellen Muster ihrer ethnischen Gruppe.[ 10 ]

Die Gruppen haben sich im Laufe des Konflikts voneinander entfremdet und misstrauen einander. Die hierarchischen verfügen über Macht und dominieren die Politik im Norden. Einige Vertreter unterdrückter ethnischer Gruppen haben Zugang zu Bildung und relativem Wohlstand erlangt, als Folge verlangen sie Mitspracherechte. Ein solcher asymmetrischer Konflikt bildet ein bekanntes Muster.

Im ghanaischen System hat sich der Konflikt verfestigt, die beiden großen politischen Parteien wählen ihre Seite und heizen in ihren Kampagnen das Misstrauen an. Auch in der landesweiten Wahrnehmung hat sich die Asymmetrie des Konflikts ausgewirkt. Viele Menschen im Süden wissen nur sehr wenig über die kulturellen, politischen und ökonomischen Probleme des Nordens. Da sie nicht organisiert sind, haben die akephalen Gruppen bisher kaum Einfluss in der Regierung. Die hierarchischen Gruppen dagegen, vor allem die Dagomba, haben einflussreiches Regierungspersonal gestellt.

4.2 Wahrhaftigkeit => Wahrheit
Es ist in einer Konfliktsituation schlichtweg unmöglich, die eine Wahrheit zu berichten. Ein Journalist kann das Problem für sich zum Beispiel dadurch lösen, dass er mindestens zwei Seiten ihre Version der Geschichte erzählen lässt.

Salifu Tea, ein Dagomba, erzählt: "Eines Tages saßen wir zusammen, da kam jemand und sagte, die Konkomba wollten gegen uns kämpfen. Ich sagte, das ist unmöglich, wir sind ein Volk, haben gemeinsame Kinder, leben zusammen. Kein Konkomba würde das tun. Und doch geschah es." Den Dagomba gehöre das Land, erklärt er, deshalb seien sie die rechtmäßigen Herrscher. Salifu Tea lebt in Yendi, der Königsstadt der Dagomba, und ist ein Berater des Königs, des Ya-Na.

Gurundi Balibo, ein Konkomba, erzählt: "Eines Tages saßen wir zusammen, da kam jemand, der sagte, die Dagomba wollten alle Konkomba vertreiben. Ich sagte, das ist unmöglich, kein Dagomba würde das tun. Und doch geschah es." Die Konkomba seien schon vor den Dagomba hier gewesen, erklärt er, ihnen gehöre das Land. Die Dagomba seien Eroberer und hätten die Konkomba in ihrer Heimat unterdrückt. Gurundi Balibo lebt in Kulkpeni, einem Dorf, auf der Straße von Yendi nach Tamale und ist ein Ältester in seiner Gemeinschaft.

Wenn ein Reporter schon mit mehreren Seiten redet, sollte er die Gelegenheit nutzen, auch nach Gemeinsamkeiten zu forschen. Die beiden alten Männer, beide gezeichnet von den Kämpfen, teilen zum Beispiel mindestens eine Einsicht: Die gebildeten Reichen in der Hauptstadt, die in klimatisierten Räumen schliefen, hätten die Kämpfe gelenkt, sagen beide.

Wer war zuerst da? Tea und Balibo scheinen zu denken, dass eine richtige Antwort den Konflikt beilegen könnte. Wer kann einem Journalisten eine solche Antwort geben in Ghana? Die offizielle Version ist nicht sehr unparteiisch, da die Regierung seit der Unabhängigkeit die Tradition der britischen Kolonialherren fortgesetzt hat: Sie hört eher auf die Dagomba. Interviews mit Ghanaern und Menschen, die lange dort leben, weisen zumindest im Raum Yendi eher in Richtung der Konkomba-Version. Aber das wird dem Land wohl keinen Frieden bringen, da die Dagomba in keinem Fall auf ihren Anspruch verzichten werden. Beide Gruppen müssen in der Region zusammenleben.

Aber nicht nur die offiziellen Quellen können einem Journalisten in Afrika im Weg stehen. Er darf sich auch nicht blenden lassen von der Oberfläche der Konflikte, die ihm im Vergleich zu seinem eigenen kulturellen Hintergrund so fremd erscheint. Töten für Macht, Kämpfe zwischen verschiedenen religiösen oder politischen Gruppen sind der so genannten westlichen Welt aber keineswegs unbekannt.

4.3 Empathie => Menschen
In vielen Dörfern im Norden sind während des Krieges Kinder verstümmelt worden, für die vielen Leichen wurden Massengräber ausgehoben, noch immer sehen die Menschen dort jeden Tag die Spuren der Gewalt. Salamata Issahaku lebt in einem solchen Dorf - in Kitoe. Die Frau scheint knapp 60 Jahre alt zu sein, aber mit Sicherheit lässt sich das nicht sagen, denn Gesichter altern schnell unter der heißen Sonne des Nordens und bei der harten Arbeit auf den Feldern. Sechs Kinder hat sie groß gezogen, vier starben in den Kämpfen des Northern Conflict. Issahaku gehört zur Gruppe der Gonja, die Führer ihre ethnischen Gruppe besitzen und beherrschen das Land. Issahaku aber besitzt kein Land, sie versucht nur zu überleben. Menschliches Leid findet sich also auch auf Seiten der herrschenden Gruppen. Ihre Mitglieder haben nicht unbedingt von den Kämpfen profitiert.

Wenn die Menschen von Kitoe sich auf ihrem Marktplatz versammeln, sitzen sie zwischen Ruinen. Die Konkomba haben den Ort nach den Kämpfen verlassen, sie leben außerhalb des Dorfes. Aber für die Treffen der Gemeinde kommen sie wieder zum Dorfplatz. Jonathan Abudu, einer der Ältesten, hat sie eingeladen. Abudu blieb in Kitoe, auch nachdem sein Vater im Krieg getötet worden war. "I am one of the elders, I am responsible for the village", sagt er. Er hat seinen Einfluss in seinem Dorf für Versöhnung eingesetzt. Abudu ist Opfer der Gewalt und gleichzeitig Akteur für den Frieden.

4.4 Kompromissbereitschaft => Lösung
Die ghanaische Nichregierungsorganisation SEND[ 11 ] hat Kitoe für eins ihrer Programme ausgewählt. Die Mitarbeiter vergeben Kredite an die Familien, so dass sie Sojabohnen pflanzen können. SEND möchte den Menschen in der Northern Region eine Perspektive geben. Sie werben nicht explizit für den Frieden, aber sie ermutigen die verschiedenen Gruppen in Kooperativen zusammenzuarbeiten.

Entwicklungs- und Friedensarbeit gehören zusammen, sagt auch Clement Aapengnuo. Mit Geldern des Catholic Relief Service hat der katholische Priester 1999 das Northern Ghana Peace Project gegründet.[ 12 ] Im Zentrum in Damongo erlernen traditionelle Herrscher und andere einflussreiche Gemeindemitglieder Grundlagen der Konfliktlösung. Mitarbeiter gehen auch vor Ort in die Dörfer, führen Theaterstücke auf oder versuchen, in lokalen Konflikten zu vermitteln.

Neben diesen Initiativen, die friedliche Konfliktlösung fördern wollen, können auch Ansätze für eine Lösung in die Berichterstattung einfließen. Einige plädieren für eine Verstaatlichung des Landes, damit sich die ethnischen Gruppen nicht mehr um den Besitz streiten könnten. Andere, vor allem politisch aktive Organisationen fordern vor allem mehr Zurückhaltung von Politikern: Sie sollten keine ethnischen Parolen mehr im Wahlkampf einsetzen.

Derweil arbeiten die Konkomba daran, ihr eigenes Häuptlingssystem zu erfinden. Viele Konkomba haben eingesehen, dass nur gemeinsame Sprecher den Einfluss auf nationaler Ebene heben können. Nayon Bilijo, Konkomba und Parlamentsabgeordneter, organisiert Konferenzen, bei denen über die möglichen Modelle diskutiert wird: Sollte der König der Konkomba gewählt werden, sollte er aus der einflussreichsten Familie stammen und welche wäre das? Der Ya-Na, der König der Dagomba, hat den Konkomba drei bis vier regionale Häuptlinge angeboten. Sie sollen ihm unterstellt sein und ihm eine Art Tribut für das Land zahlen. Aber Bilijo und andere einflussreiche Konkomba sind damit nicht zufrieden. "And if they don't give us what is our right", sagt Bilijo, Anwalt und Parlamentsabgeordneter seines Landes, "then we will fight, they are weak from living in the cities, we are better fighters".

Wenn man in Ghana Sätze wie diesen hört, dann scheint der Frieden sehr weit weg. In der Gesellschaft existieren starke Hindernisse: Misstrauen, Vorurteile, kulturelle Missverständnisse und Angst. Eine konstruktive Konfliktberichterstattung darf diese Faktoren nicht ausblenden. Father Clement vom Northern Ghana Peace Project weiß, dass viele Konflikte mit Gewalt gelöst werden und dass neue Gewalt an vielen Orten ausbricht. Aber er kennt auch viele Episoden wie diese über einen großen Krieger: Dieser Mann hatte während des Northern Conflict viele Menschen getötet, aber bei einem Training im Friedenszentrum in Damongo lernte er, wie wenig er selbst und seine Familie von dieser Gewalt profitiert haben. Er stand auf und sagte: "You know, once I was a great warrior, but now I want to be a warrior for peace."

Fußnoten
[ 1 ] Zur Kriegsberichterstattung siehe Albrecht, Ulrich / Becker, Jörg (Hg.): Medien zwischen Krieg und Frieden. Baden-Baden 2002; Imhof, Kurt / Schulz, Peter (Hg.): Medien und Krieg - Krieg in den Medien. Zürich 1995; Löffelholz, Martin (Hg.): Krieg als Medienereignis. Opladen 1993.
[ 2 ] Vgl. Botes, Janie: 'Dialogue of the Deaf' - Reframing the debate over media and conflict. In: Track Two, Nr. 4 / 1998, S. 4-6.
[ 3 ] Siehe hierzu Bilke, Nadine: Friedensjournalismus. Wie Medien deeskalierend berichten können. Münster 2002, S. 62-66.
[ 4 ] Ausführlicher zum Konzept einer konstruktiven Konfliktberichterstattung: Bilke, a.a.O. (www.friedensjournalismus.de) und Lynch, Jake: Reporting the World. Conflict & Peace Forums 2002.
[ 5 ] Vgl. Galtung, Johan: Friedensjournalismus: Was, warum, wer, wie, wann, wo? In: Kempf, Wilhelm / Schmidt-Regener, Irena: Krieg, Nationalismus, Rassismus und die Medien. Münster 1998, S. 3-20; Kempf, Wilhelm: Konfliktberichterstattung zwischen Eskalation und Deeskalation. In: Wissenschaft & Frieden, Nr. 2 / 1996, S. 51-54.
[ 6 ] Vgl. Bentele, Günter: Objektivitätsanspruch und Glaubwürdigkeit. In: Jarren, Otfried (Hg.): Medien und Journalismus 1. Opladen 1994, S. 296-312, hier S. 309.
[ 7 ] Die folgenden Informationen wurden von Januar bis April 2002 in Ghana gesammelt - während eines Rechercheaufenthalts, der von der nordrhein-westfälischen Heinz-Kühn-Stiftung finanziert wurde. Einige grundlegende Fakten finden sich auch bei Toonen, Emmy: Ghana: Mediating a Way out of Complex Ethnic Conflicts. In: European Platform for Conflict Prevention and Transformation (Hg.): Searching for Peace in Africa - An Overview of Conflict Prevention and Management Activities. 2000. Internet-Dokument. Detailliertere Einblicke bieten Assefa und vor allem Kirby mit seiner anthropologischen Studie: Assefa, Hizkias: Coexistence and Reconciliation in the Northern Region of Ghana. In: Abur Nimer, Mohammed (Hg.): Reconciliation, Justice and coexistence. Oxford 2001. S. 165-186; Kirby, Jon P.: Culture-drama and Peacebuilding. A culture drama workbook. Tamale 2002.
[ 8 ] Zur Konfliktanalyse vgl. Meyer, Berthold: Formen der Konfliktregelung. In: Imbusch, Peter / Zoll, Ralf (Hg.): Formen der Konfliktregelung. Opladen 1997, S. 14-47, hier S. 30ff.
[ 9 ] Vgl. Kriesberg, Louis: Social Conflicts and Peace. In: Reichardt, Wolfgang (Red): Geschichte der Friedens- und Konfliktforschung. Kurs-Nr. 4669. Fernuniversität Hagen 1994, S. 189-196, hier S. 189f.
[ 10 ] Zu den tiefer liegenden kulturellen Mustern vgl. Kirby, a.a.O. Er nennt sie "cultural pathways" und identifiziert z.B. folgende: "hit people vs. run people" (S. 21), "land people vs. earth people". (S. 29)
[ 11 ] Die Social Enterprise Development Foundation (SEND) wurde 2000 von Samuel Zan gegründet. Geldgeber sind u.a.: die kanadische Co-operative Association, der Deutsche Entwicklungsdienst, die britische CAFOD (Catholic Agency for Overseas Development), Christian AID and die niederländische Cordaid. SEND hat drei Büros in Ghana: Accra, Tamale und Bimbilla. Im Hauptsitz in Tamale arbeiten fünf Angestellte. Die Programme bieten Unterstützung bei der Landwirtschaft, Informationen über Empfängnisverhütung und Kindererziehung sowie Lehrgänge für junge Kleinunternehmer.
[ 12 ] In dem Zentrum in Damongo arbeiten 30 Menschen. Dort ist auch ein Gasthaus untergebracht, eine Bücherei und ein Medienraum.

Nadine Bilke
In: Zeitschrift für Kommunikationsökologie, 1/2004, S. 33-36.

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